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Gemeinsam2035 – Zukunftsgemeinschaften im Kirchenkreis Lüneburg „im Meer der Zeit“.

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Im Ev.-luth. Kirchenkreis Lüneburg sind die zu antizipierenden Zukunftsherausforderungen proaktiv in den Blick genommen worden. Die sind u.a. der demographische Wandel, die Mitgliedschaftsentwicklung und damit verbunden schrumpfenden Finanzmitteln, aber auch gesellschaftliche und kirchliche Veränderungen, schließlich der zu erwartende Fachkräftemangel auch im Verkündigungsdienst.

„Wir sind im Jahr 2035 für die Menschen in Stadt und Landkreis Lüneburg da als eine verlässliche, einladende und auf Menschen zugehende, zeitgemäße Kirche. Unabhängig von Größe und Lage der Gemeinde finden Menschen bei uns Ansprechpartner und Angebote, den christlichen Glauben kennenzulernen und zu leben. Wir setzen uns als Gemeinde und Einrichtung für gutes Leben in Dörfern und der Stadt ein.“ Entsprechend diesem Leitbild hat der Kirchenkreis unter Federführung der Superindendenten und des Ausschusses für

Stellenplanung und Strukturentwicklung der Kirchenkreissynode den Prozess „Gemeinsam 2035“ gestartet, um den Kirchenkreis fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.

Ansätze zur Regionalisierung hatte es in den Ursprungskirchenkreisen Bleckede und Lüneburg in unterschiedlicher Intensität und Struktur gegeben. Der Schwung eines gelungenen Fusionsprozesses der beiden Kirchenkreise und die positive Ausstrahlung der für die kirchliche Arbeit vor Ort als förderlich erlebten Strukturänderungen konnten im Zusammenspiel mit der hohen Plausibilität der nötigen strukturellen Veränderungen auch auf Gemeindeebene verbunden werden: Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen äußerten ein verstärktes Interesse zur Neuausrichtung der künftigen übergemeindlichen Zusammenarbeit, so dass diese Impulse durch die Leitungsgremien und den Ausschuss lediglich aufgenommen und verstärkt werden mussten. Eine besondere Steigerung der Plausibilität von Strukturveränderungen ergab sich dabei aus der konkreten Hochrechnung der zu erwartenden Gemeindegliederzahlen im Jahr 2035. Sie bildet den Horizont für die mittelfristige Planung ebenso wie der zeitgleich nach umfassendem Informationsprozess erstellte und beschlossene Gebäudebedarfsplan des Kirchenkreises, der auch Prognosen für das Jahr 2035 in den Blick nimmt.

Auf dieser Basis erbat der Ausschuss Rückmeldungen zu den drängenden Zukunftsfragen aus den Kirchenvorständen und erarbeitete auf deren Grundlage das Konzept der Zukunftsgemeinschaften als Zusammenschluss von Kirchengemeinden, die künftig gemeinsam eine Reihe von Pflicht- und Küraufgaben angehen sollen. Unter Pflichtaufgaben sind dabei v.a. Aufgaben der kirchlichen Grundversorgung und Zukunftsplanung gemeint (Vertretung und Dienstbesprechung der Hauptamtlichen, verlässliche Kasualabdeckung, gemeinsame Planung in den Bereichen Personal (aus der Budgetierung) und Gebäudebedarf), mit den Küraufgaben ein Bündel an Möglichkeiten zur gemeinsamen Gestaltung kirchlicher Arbeit, etwa in den Bereichen Konfirmanden-, Kinder- und Öffentlichkeitsarbeit oder Absprachen zur Profilbildung einzelner Gemeinden innerhalb einer Zukunftsgemeinschaft und die Planung gemeinsamer Gottesdienste. Der Ansatz der Kirchenkreisgremien war, die bottom-up-Struktur vom Anfang dieses Prozesses aufzunehmen und den Gestaltungsspielraum der Kirchengemeinden so weit wie möglich zu gestalten und zugleich einen gelingenden Ausgleich zwischen flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten bei zugleich verlässlichen Grundstrukturen zu schaffen. Alle weiteren Schritte sind daher in enger Abstimmung mit den Kirchenvorständen und konkreter Zusammenarbeit mit ihnen entstanden.

Die Zukunftsgemeinschaften wurden daher in Anlehnung an die Arbeitsgemeinschaften mit schriftlicher Vereinbarung grundsätzlich als verbindliche Form unterhalb des RegG gedacht: Bestimmte Formen übergemeindlicher Zusammenarbeit sollten durch den Prozess nicht vorgegeben werden, vielmehr sollen unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit Raum bekommen und in Konkretion gemeinsamen kirchlichen Handeln wachsen können. Eine sehr schlanke Mustervereinbarung umfasst lediglich verbindliche Regelungen zu den Pflichtaufgaben und lässt die konkrete Ausgestaltung weiterer Felder der Zusammenarbeit sowie eine potentielle Gremienbildung zunächst bewusst außen vor.

Für die Zusammenstellung der Zukunftsgemeinschaften wurden transparent Kriterien (v.a. räumliche Nähe, strukturelle Ähnlichkeiten, Mindestgröße 2035) formuliert und diskutiert. In einem Zukunftstag wurden Delegierte aller Gemeinden zusammengebeten und unter Leitung der Gemeindeberatung nach dem Prinzip von Speed-Datings in verschiedenen potenziellen Zusammensetzungen zusammengeführt. So wurde nach weiteren Konsultationen der Kirchenvorstände ein von allen Kirchengemeinden mitgetragenes und mitgestaltetes Modell von Zukunftsgemeinschaften erarbeitet, das auf der Kirchenkreissynode im Sommer 2020 beschlossen wurde. Ab 2023 sollen die Zukunftsgemeinschaften Planungsgrößen für den Kirchenkreis sein: Die Freigabe von Stellen innerhalb des Stellenrahmenplans soll ab dann nur bei Vorlage eines von allen Kirchenvorständen der Gemeinschaft zustimmend zu Kenntnis genommenen plausiblen Konzeptes erfolgen. Dieses Konzept soll einen Umgang bei Abweichungen vom beschlossenen Stellenschlüssel der gesamten Zukunftsgemeinschaft bzw. einzelner Gemeinden der Gemeinschaft darlegen und Stellenbeschreibungen aller involvierten Planstellen beinhalten.

Die Transparenz und fortlaufende Paritzipationsmöglichkeit am Prozess (etwa durch die Homepage www.gemeinsam2035.de) sowie die Balance aus Offenheit der Ausgestaltung und verbindlichen Absprachen haben dem Prozess dabei gutgetan. Die Zukunftsgemeinschaften sind mittlerweile konstituiert und haben mit der konkreten Zusammenarbeit begonnen bzw. sind zum Kristallisationspunkt von weitergehenden Strukturveränderungen geworden: sieben Gemeinden haben sich im Zuge der entstandenen Strukturdebatten auf den Weg zu Zusammenlegungen gemacht – was als sichtbares Zeichen eines wachsenden Problembewusstseins sowie der Handlungsmotivation auch an der Basis gewertet werden kann. Diese Erfahrung zeigt, dass bei guten Kommunikationsstrukturen durch die Etablierung eines Rahmens, die Schaffung von Plausibilität und das Vertrauen auf die Einsicht der Entscheidungsträger auch ohne konkrete weitere Maßnahmen Strukturen in Bewegung kommen können. So soll der Prozess auch künftig angelegt sein. Nach der Phase der Konsolidierung und Sortierung nach der Pandemie sollen nun die anstehenden Planungs-und Transformationsprozesse auf Ebene der Zukunftsgemeinschaften angegangen werden.

Ab Frühjahr 2022 werden die Gemeinschaften vom Kirchenkreis begleitet dazu befähigt, die Konzeptionen für die Neubesetzung ihrer Stellen anzugehen. Bei einer großen Auftaktveranstaltung soll ihnen zusätzlich der Gestaltungswille zur Entwicklung konkreter Szenarien für die kirchliche Arbeit 2035 gefördert werden. Die Gemeinschaften sollen dazu ermuntert und befähigt werden, das auf Kirchenkreisebene Verfahren, unterschiedliche Szenarien zu entwickeln und aus dieser Konkretion heraus die eigenen mittel- und langfristigen Gestaltungsmöglichkeiten anzugehen. Den Gemeinschaften werden dazu auf Antrag Sondermittel für gemeinsame Projekte sowie Begegnungs- und Beratungsformate zur Verfügung gestellt. So sollen Szenarien enstehen, die folgende Punkte umfassen können:

  • Wie decken wir die Arbeitsgebiete gemeinsam ab?
  • Welche Stellen für Hauptamtliche haben wir?
  • Wie ist das Ehrenamt einbezogen?
  • Wie wird das kirchliche Leben geleitet und verwaltet?
  • Welche Gebäude haben wir?
  • Welche Unterstützung oder rechtlichen Rahmenänderungen benötigen wir?

Als elementar haben sich für den Prozess und für seine Zukunft eine gute Kommunikations- und Beteiligungsstruktur in Verbindung mit plausiblen und konkreten Zukunftsszenarien erwiesen. Wo Veränderungen auf den unterschiedlichen Ebenen als gestaltbar erlebt werden und zugleich Widerständen Raum gegeben wird, wächst Gestaltungswille ebenso wie Mut und Bereitschaft zur Gestaltung.

Ebenso ist die theologische Reflexion kirchlicher Veränderungsprozesse wichtig. So waren die strukturellen Veränderungen stets eingebettet in Konvente und Kirchenkreiskonferenzen, die sich mit den theologischen Dimensionen einer sich verändernden Kirche und Gesellschaft beschäftigt haben, etwa Fragen nach Gottesdienstformen 2035, künftigem Konfirmandenunterricht oder auch Christologie 2035. So wurde immer wieder deutlich, dass Kirche auf den unterschiedlichsten Ebenen ihrer Ausdrucksformen (etwa Sprache, Gottesdienstformen, aber auch in ihren Strukturen) ändern muss, um dem Auftrag und der Botschaft Christi treu zu bleiben.